Wer ein kosmetisches Mittel in den Handel bringen möchte, muss sich neben dem Marketing und dem Absatz des Produktes auch Gedanken über die regulatorischen Anforderungen machen. Alle kosmetischen Mittel unterliegen der VO (EG) Nr. 1223/2009. Diese Verordnung regelt europaweit die Kennzeichnung, Zusammensetzung und die Dokumentation kosmetischer Mittel. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Verordnung ist der Sicherheitsbericht (Artikel 10 in Verbindung mit Anhang I). Anhang I der Verordnung beschreibt ausführlich, welche Informationen der Sicherheitsbericht beinhalten muss. Im Folgenden werden die Anforderungen an einen Sicherheitsbericht gemäß VO (EG) Nr. 1223/2009 näher beleuchtet.
Playlist auf Youtube rund um den Sicherheitsbericht
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Sicherheitsinformationen zum kosmetischen Mittel und
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Sicherheitsbewertung des kosmetischen Mittels
Im Abschnitt „Sicherheitsinformationen zum kosmetischen Mittel“ wird die Rezeptur des Kosmetikums wiedergegeben. Dabei wird zwischen Rohstoffrezeptur, quantitativer und qualitativer Rezeptur unterschieden. Die Rohstoffrezeptur zeigt auf, welche Rohstoffe mit welchen Gehalten bei der Herstellung des Kosmetikums zum Einsatz kommen. Mit Hilfe dieser Rezeptur lässt sich jeder Inhaltsstoff (INCI) einem oder mehreren verwendeten Rohstoffen zuordnen. Dies ist wichtig, da verschiedene Rohstoffe zwar dieselben INCI haben, jedoch unterschiedliche Reinheiten aufweisen können. Oft verstecken sich im „Kleingedruckten“ der Rohstoffunterlagen auch Stabilisatoren, Antioxidantien oder Konservierungsstoffe, deren Verwendung zum einen gekennzeichnet und zum anderen in Hinsicht auf die Sicherheit bewertet werden muss. Daher ist es besonders wichtig, die verwendeten Rohstoffe näher zu prüfen und sich bei der Bewertung der Sicherheit nicht ausschließlich auf die INCI-Zusammensetzung des Kosmetikums zu verlassen. Aus dieser elementaren Rohstoffrezeptur ergibt sich dann die quantitative INCI-Zusammensetzung des Kosmetikums. Darunter ist die Auflistung aller Inhaltsstoffe inklusive ihrem prozentualem Anteil im Fertigprodukt zu verstehen. Hierbei ist darauf zu achten, dass einzelnen INCIs in verschiedenen Rohstoffen enthalten sein können und deren jeweiliger Gehalt somit addiert werden muss. Eine Besonderheit unseres Sicherheitsberichts ist, dass für die Erstellung der quantitativen Rezeptur bei zusammengesetzten Rohstoffen jeweils die vom Rohstoffhersteller angegebenen Höchstgehalte der einzelnen Ingredients zugrunde gelegt werden. Weiter werden auch sämtliche zugesetzten Hilfsstoffe ungeachtet ihrer Nachweisbarkeit im kosmetischen Mittel aufgeführt. Dies hat den Vorteil, dass bei der Bewertung der Sicherheit ein Worst-Case-Szenario generiert wird um die Sicherheit des Kosmetikums unter den „ungünstigsten“ Umständen zu belegen. Im letzten Schritt lässt sich aus der quantitativen Rezeptur die qualitative Zusammensetzung des Kosmetikums ableiten. Die qualitative Zusammensetzung entspricht der Ingredientsliste für das Etikett des Kosmetikums. In der Ingredientsliste sind neben den verwendeten Inhaltsstoffen auch die kennzeichnungspflichtigen allergenen Duftstoffe aufzuführen.
Neben der Identifizierung des Produktes über seine Rezeptur und zumeist einer Rezepturnummer oder einem Rezepturcode, wird das Produkt mittels physikalischen Parametern wie Konsistenz, Geruch, Farbe aber auch pH-Wert und Dichte eindeutig charakterisiert.
Zu den zwingenden, sicherheitsrelevanten Informationen zum kosmetischen Mittel gehören auch Angaben zur Stabilität und Haltbarkeit des Produktes. Zur Stabilität werden die Ergebnisse von Stabilitätsuntersuchungen, vorzugsweise in der Originalverpackung, zusammengefasst. Oft werden die Produkte hierfür über Zeiträume von vier Wochen bis zu drei, sechs, oder auch zwölf Monaten unter unterschiedlichen Bedingungen gelagert. Im Anschluss erfolgt meist eine organoleptische und physikalische Beurteilung des Produkts. Mit Hilfe der Ergebnisse aus den Stabilitätsuntersuchungen kann der Kosmetik-Hersteller die Haltbarkeit seines Produktes ableiten.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Sicherheitsberichtes ist die mikrobiologische Qualität und Stabilität des kosmetischen Mittels. Im feuchtwarmen Klima eines Badezimmers herrschen optimale Wachstumsbedingungen für verschiedene Keime, die im schlimmsten Fall zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung des Verbrauchers führen können. Daher hat der Kosmetik-Hersteller Maßnahmen zu treffen, die ein übermäßiges Keimwachstum während der Lebensdauer des kosmetischen Mittels verhindern. Dies kann z. B. durch die Zugabe von Konservierungsstoffen oder anderen konservierend wirkenden Inhaltsstoffen erzielt werden. Um die Wirksamkeit der gewählten Konservierung zu überprüfen, werden in der Regel Konservierungsbelastungstests durchgeführt. Hierfür wird das Kosmetikum mit hohen Gehalten einiger Leitkeime beimpft und die Keimzahlreduktion im Zeitverlauf von 28 Tagen beobachtet. Im Sicherheitsbericht werden nun die Ergebnisse dieser mikrobiologischen Untersuchungen zusammengetragen und bewertet. Ebenfalls einen Einfluss auf die mikrobiologische Stabilität des Produktes und somit im Sicherheitsbericht zu berücksichtigen sind z. B. der pH-Wert des Fertigproduktes, enthaltene antimikrobiell wirkenden Stoffe wie Alkohol oder Oxidationsmittel und der Keimeintrag während der Verwendung, welcher von der Art der Verpackung abhängt.
Wie oben bereits angedeutet, ist die Qualität der eingesetzten Rohstoffe von großer Wichtigkeit. Denn enthaltene Spuren unerwünschter Stoffe und andere Verunreinigungen können die Verbrauchersicherheit gefährden. Zudem können durch bestimmte Rohstoffkombinationen im kosmetischen Mittel z. B. krebserregende Nitrosamine entstehen oder es kann Formaldehyd freigesetzt werden.
Eine Neuerung im Sicherheitsbericht stellt die Betrachtung des Verpackungsmaterials dar. Die Kosmetikverpackung wird in Punkto Reinheit und Stabilität beleuchtet. Im Idealfall bescheinigt der Packmittelhersteller die Eignung des Verpackungsmaterials für kosmetische Mittel oder Lebensmittel.
Im weiteren Verlauf der Sicherheitsbewertung wird jeder einzelne Inhaltsstoff des kosmetischen Mittels näher betrachtet. Neben seinen physikalischen und chemischen Eigenschaften werden auch seine Reinheit und seine toxikologischen Eigenschaften aufgeführt. In diesem Teil des Berichts werden enorme Datenmengen verarbeitet. Selten sind die toxikologischen Daten, die von den Rohstoffherstellern zur Verfügung gestellt werden, für eine stichhaltige Bewertung ausreichend. Daher ist in den meisten Fällen eine ausführliche Literaturrecherche notwendig, um die Gefahr oder Harmlosigkeit eines Inhaltsstoffs aufzuzeigen. Die so aus diversen Datenbanken zusammengetragenen Informationen zu Kosmetikinhaltsstoffen bilden einen riesigen Datenpool, den es zu verarbeiten gilt. Hierbei hilft uns eine für diesen Zweck eigens für uns entwickelte Software. Nachdem alle Inhaltsstoffe charakterisiert wurden, folgt die Expositionsbetrachtung des kosmetischen Mittels. Hier zeigt sich: Kosmetikum ist nicht gleich Kosmetikum. Verbleibt das Produkt auf der Haut oder wird es abgewaschen? Welche Menge des Kosmetikums wird täglich angewendet? Wie häufig wird es angewendet und von wem – Kinder, Erwachsene oder womöglich beide Gruppen? Mit Hilfe dieser Parameter lässt sich für jeden Inhaltsstoff des kosmetischen Mittels eine systemische Expositionsdosis (SED) errechnen. Diese Dosis spiegelt den Gehalt eines jeden Inhaltsstoffs wieder, der nach der Anwendung des Kosmetikums im Körper potentiell verfügbar ist. Mit den errechneten Gehalten und den gesammelten toxikologischen Daten zu den Inhaltsstoffen lässt sich ein Sicherheitsabstand (MOS – Margin of Safety) berechnen. Liegt dieser inhaltsstoffspezifische MOS über einem Zahlenwert von 100, so gilt die Verwendung des Stoffes als unbedenklich. Die Berechnung des MOS ist ein wesentlicher und aussagekräftiger Bestandteil des Sicherheitsberichtes.
Zum Abschluss des ersten Teils „Sicherheitsinformationen zum kosmetischen Mittel“ werden Daten zur Unverträglichkeitsstatistik (Cosmetovigilance) und weitere Informationen über das kosmetische Mittel, wie Ergebnisse dermatologischer Untersuchungen oder Wirksamkeitsnachweise zusammengefasst. Eine Unverträglichkeitsstatistik, auch Reklamationsstatistik genannt, existiert natürlich nur für Produkte, die bereits auf dem Markt sind. Hierfür wird die Anzahl der unerwünschten Wirkungen eines kosmetischen Mittels beim Verbraucher in Relation zu den verkauften Verpackungseinheiten gesetzt. Ein möglichst niedriger Wert spricht für eine gute Verträglichkeit des Kosmetikums.
Nachdem nun im ersten, umfangreichen Teil des Sicherheitsberichts alle Informationen zum kosmetischen Mittel zusammengetragen und die Sicherheitsabstände (MOS) aller Inhaltsstoffe berechnet wurden, geht es im zweiten Teil „Sicherheitsbewertung des kosmetischen Mittels“ um die Bewertung der gewonnenen Daten. Hier findet sich nun eine Schlussfolgerung aus Teil 1 – also ob das kosmetische Mittel SICHER für die menschliche Gesundheit ist oder nicht. Für diese Schlussfolgerung wird eine Begründung formuliert, die in zusammenfassender Form alle Punkte wiederspiegelt, die entscheidend für die Einstufung „sicher“ oder „nicht sicher“ waren.
Am Ende eines jeden Sicherheitsberichts findet sich die Qualifikation der Person, die den Sicherheitsbericht verfasst hat. Wie oben beschrieben sind im Sicherheitsbericht viele komplexe Parameter zu beachten und auszuwerten, daher kann ein Sicherheitsbericht nicht von jedermann verfasst werden. Gemäß der VO (EG) Nr. 1223/2009 muss die verfassende Person ein Diplom oder ähnlichen Hochschulabschluss in Pharmazie, Toxikologie, Medizin oder einem ähnlichen Studiengang besitzen. Der Hochschulstudiengang „Lebensmittelchemie“ beinhaltet eine theoretische und praktische Ausbildung in den Bereichen Chemie, Biochemie, Mikrobiologie, Recht und anderen angrenzenden Fächern und ist daher bestens als Grundlage für den Sicherheitsbewerter geeignet. Weiter fordert der Gesetzgeber für den Ersteller von Sicherheitsberichten eine regelmäßige, fachliche Weiterbildung.
Die Erstellung des Sicherheitsberichtes ist sehr aufwendig, basiert auf umfangreichen Informationen und legt einen hohen Sachverstand zugrunde. Manch einer fragt sich sicherlich, wozu der Gesetzgeber diesen immensen Aufwand fordert: Es geht ihm im höchsten Maße um die Verbrauchersicherheit. Kosmetik an sich ist ein innovatives und kreatives Feld. Von Glycolsäure bis Bienengift kommt fast jeder Inhaltsstoff zum Einsatz. Auch in Punkto Anwendungsmöglichkeiten und Zielgruppe ist vieles möglich. Ob Bartöl, Brustwarzencreme für frisch gebackene Mamis oder das Schminkköfferchen für kleine Prinzessinnen, der Phantasie der Hersteller sind kaum Grenzen gesetzt. Diese Vielfalt wird vom Gesetzgeber nur mäßig beschnitten. In der Kosmetikverordnung finden sich zudem überwiegend Negativlisten von Inhaltsstoffen, was bedeutet, dass in der Theorie alle nicht aufgeführten Stoffe verwendet werden können. Damit sind in der Relation zu der Masse an möglichen Inhaltsstoffen nur sehr wenige Stoffe reglementiert. Umso wichtiger ist es daher, dass das Zusammenspiel der unterschiedlichsten Ingredients und deren Wirkung im menschlichen Körper begutachtet werden. Nur durch die tiefgehende Auseinandersetzung mit dem Produkt, seinen Inhaltsstoffen und Eigenschaften und der erforderlichen Untersuchungen kann der hohe Anspruch des Verbraucherschutzes sichergestellt werden. Dazu dient der Sicherheitsbericht.